SCHWANGERSCHAFT, GEBURT UND YOGA

 

Paulina ist Yogalehrerin und Hebamme. Im ersten Teil des Interviews haben Paulina und ich über ihre Erfahrungen als Hebamme, Hoffnungen und Herzensthemen gesprochen und wie diese ihr Weltbild prägen. In diesem Artikel tauchen wir in Paulinas Blick auf die Verbindung von Schwangerschaft, Geburt und Yoga ein.

Du bist Yogalehrerin und Hebamme. Wie kamst du dazu, die beiden Dinge zu verbinden?

Vor dem Beginn meines Studiums habe ich ein Praktikum bei einer Hebamme gemacht, die Hausgeburten begleitet. Ich dachte, der Schlüssel für einen wirklichen Einfluss bei der Geburt muss irgendwie sein, schon während der Schwangerschaft als Hebamme tätig werden. Es braucht eben diese 9 Monate, um sich gut vorzubereiten. Impulse haben bessere Wirkung, wenn sie regelmäßig und schon während der Zeit der Schwangerschaft gesetzt werden.

Ich selbst habe schon immer Yoga praktiziert. Irgendwann habe ich gedacht, dass ich Yoga für Schwangere unterrichten will, um bereits während dieser Zeit tätig zu sein und diese Impulse zu setzen. Im Kreissaal bin ich vielen Schwangeren begegnet, die Yoga gemacht haben und das hat mich weiter motiviert.

Als mir meine Yoga Ausbildung dann begegnet ist, habe ich sie in erster Linie für mich gemacht. Zu dem Zeitpunkt kamen in mir viele Fragen auf: „Wer bin ich?" „Möchte ich wirklich Hebamme sein?“. Durch die Ausbildung hatte ich dann die Möglichkeit, mein Wissen als Hebamme mit der Begleitung durch Yoga während der Schwangerschaft zu verbinden.

Was verbindet für dich Yoga mit Schwangerschaft und Geburt?

Auf körperlicher Ebene ist es total die Beweglichkeit. Ein Kind soll beweglich unter Geburt sein und ein Kind kann nur beweglich sein, wenn auch die schwangere Person beweglich ist. Das hat nichts damit zu tun, besonders dehnbar zu sein, sondern vielmehr damit, in Bewegung zu bleiben.

Auch das Atmen im Yoga hilft, wahrzunehmen, welche Atemräume es gibt und wie ich mit damit spielen kann, um bestimmte Dinge zu fühlen. Auf einer feinstofflichen Ebene ist das für mich der Prozess, wieder im hier und jetzt anzukommen.

Ich empfinde es in Schwangerschaften als gefährlich, dass häufig ungefragt viele Meinungen geteilt werden. Schwangere Personen sind körperlich und emotional sehr offen und damit sehr empfänglich für äußere Einflüsse. Yoga ist die Möglichkeit, das alles zu sortieren: Was gehört zu mir und was nicht?

Die Bewegung macht diese Dinge präsent. Der Atem scheidet dann aus, was nicht zu mir gehört und integriert, was zu mir gehört.

Wie kann Yoga Menschen in Schwangerschaft und Geburt unterstützen?

Yoga unterstützt in eben dieser Beweglichkeit. Yoga hilft, zu schauen, was präsent ist und erstmal die Verbindung zu mir zu stärken. Ich glaube, dass es wichtig ist, dass die schwangere Person erstmal wirklich in Verbindung zu sich steht, bevor sie in Verbindung mit dem Kind gehen kann, das in ihr wächst. Mal ist das eine präsenter, dann wieder das andere.

Für die Geburt glaube ich, dass Yoga die Intuition stärkt. Wenn ich übe, auf meine Intuition zu hören - „Wie weit kann ich heute gehen? Wie fit bin ich grade?“ - dann fällt mir das auch unter Geburt leichter. Ich glaube, es ist auch eine Art von körperlicher Geburtsvorbereitung, weil ich viele Posen einnehme, die mir unter Geburt gut tun können. Wenn ich diese Posen schonmal gemacht habe, fällt mir das leichter, als wenn es total neu ist.


Wie hat Yoga deinen Blick auf Schwangerschaft und Geburt verändert?

Yoga hat meine Tätigkeit als Hebamme insofern verändert, dass ich dachte, wir müssten viel weniger mit den Schwangeren reden und viel mehr praktizieren. Die eigene Erfahrung ist das Wichtigste für Ressourcenbildung und Erkenntnisgewinn. Wenn ich einer schwangeren Person sage, beweg dich, wie es dir gut tut, dann wird sie, wenn sie vor mir sitzt, nicht so viel damit anfangen können, wie wenn sie auf der Matte steht.

Als ich selbst erfahren habe, wie ich zu intuitiver Bewegung eingeladen wurde, hat mich das sehr in meiner Tätigkeit als Hebamme beeinflusst. Gleichzeitig muss ich sagen, dass es schwierig ist, diese Brücke zu bilden. Die Konstrukte und das System der „normalen“ Schwangerschaftsvorsorge und Geburtsvorbereitungskursen sind aktuell noch nicht dafür ausgelegt. Hier geht es mehr um das Weitergeben von Informationen und weniger um das Erleben. Ich glaube, dass das Erleben das Wichtigere ist.

Im Kreissaal habe ich zum Beispiel rhythmische Einreibungen und Fußbäder gemacht, damit dieses Erleben gefördert wird - was auch immer die schwangere Person dann erlebt. Hauptsache, sie erlebt etwas, damit sie in ihrem Prozess weiterkommt. Wenn sie im Kreissaal ist, dann ist sie schon in einem Prozess.

Was bedeutet für dich Spiritualität im Zusammenhang mit dem Prozess von Schwangerschaft und Geburt?

Spiritualität bedeutet für mich vor allem den Glauben an den Geist und an Seele - den Glauben an etwas, das innerhalb und außerhalb meines Körpers existiert, das vielleicht auch immer irgendwie bestehen bleibt.

Letzten Endes bedeutet Spiritualität für mich, dem ins Auge zu blicken, was da ist. Das muss nicht unbedingt etwas rein Geistiges sein. Für mich geht es dabei viel um Bedürfnisse. Zu sehen, welches Bedürfnis ich habe, hat für mich sehr viel mit Spiritualität zu tun, weil erst die spirituelle Praxis dieses Erkennen für mich hervorbringt. Auch andere Praktiken können das hervorbringen. Ich kann golfen gehen und das selbe erleben, aber in dem Moment hat Golfen für mich etwas spirituelles.

Ich glaube, Schwangerschaft ist eine Zeit der Erdung. In meiner Yoga Ausbildung habe ich oft erlebt, dass der Geist den Körper ein bisschen verlässt. Während der Schwangerschaft habe ich viel mehr das Gefühl, es geht darum, so richtig in den Körper reinzugehen.

Wenn man von „Niederkunft“ spricht, „auf die Welt kommen“, „in die Welt begleiten“, dann hat das seltenst einen Charakter von „Ich löse mich auf“, als vielmehr „Ich bin voll da“.

Wie haben deine Tätigkeiten als Hebamme und Yogalehrerin deine persönliche Lebensphilosophie geprägt?

Meine Tätigkeit als Hebamme hat mir gezeigt, was für eine krasse Veränderung Familienbildung ist. In meiner Lebensphilosophie hat es mir verdeutlicht, wie wichtig es ist, dass ich mich an dem Ort wohlfühle, an dem ich grade bin und gleichzeitig demütig zu sein vor den Plänen und Herausforderungen, die mein Leben für mich hat. Das eine schließt das andere nicht aus.

Das selbe habe ich im Yoga erlebt. Yoga kann diese Erfahrung fördern und gleichzeitig ein Werkzeug sein. Es ist wichtig, das „Ich“ zu erleben, um im „Wir“ zu existieren - auf eine präsente und gleichzeitig demütige Art und Weise. Aber das ist einfach extrem schwer, da konstant dranzubleiben (lacht). Es braucht wirklich diese konstante Praxis.

Dieses Erleben zu fördern gilt nicht nur, wenn ein Kind zu mir kommt oder ich eine Familie bilde, sondern grundsätzlich in jeder Form von Beziehung. Es ist einfach wichtig, mich um mich zu kümmern und das wird mir niemand abnehmen. Nur ich kann sagen, was richtig für mich ist. Das ist immer mein erster Gedanke bei Schwangeren oder Paaren, die ich betreue: „Was ist für euch das Richtige?“. Und das sage ich mir selber auch.

Lust auf mehr?

Wenn du Yogalehrer*in bist und dich die Verbindung von Yoga mit der besonderen Erfahrung von Schwangerschaft und Geburt interessiert, folgt jetzt ein Interviewteil zu der 50h Shakti Mama Fortbildung für Prä- und Postnatales Yoga. Paulina und Mara haben die Ausbildung gemeinsam konzipiert und bringen durch ihre einzigartigen Blickwinkel zwei spannende Perspektiven auf das Thema. Bis zum 30. Juni gilt noch der Early Bird Preis. Keep reading, um einen Einblick in diese Zeit zu erhalten.

Paulina, was bedeutet Shakti?

Shakti bedeutet das göttliche Weibliche. Wer bin ich als Schwangere? Sehe ich dieses göttliche Weibliche in mir?

Was ist deine Verbindung zu Mara und was macht diese Verbindung so besonders?

Mara ist und war meine Yoga Lehrerin. Sie ist für mich als Lehrerin so besonders, weil sie nicht indoktriniert. Vielmehr nimmt sie auf, was grade da ist und gibt gleichzeitig rein, was bei ihr präsent ist. Das macht die Verbindung sehr lebendig und dafür bin ich sehr dankbar.

Was uns darüber hinaus wirklich tief verbindet ist das Thema Frauen und Menschen mit Uterus. Bei Mara geht es dabei viel um zyklische Prozesse, die auch in der Schwangerschaft und Geburt eine wichtige Rolle spielen. Bei mir ist es meine Tätigkeit als Hebamme und die damit verbundenen Erfahrungen.

Ich spüre etwas wie eine alte Schwesternschaft mit Mara. Jede hat ihre Bedürfnisse und die können bei uns nebeneinander existieren. Da ist so viel Raum geben von beiden Seiten und gleichzeitig kann jede von uns den Raum auch nehmen. Ich glaube, Raum geben kann man vielen Menschen. Aber dass beides funktioniert, Raum geben UND Raum nehmen, das empfinde ich als sehr besonders.

Für wen ist die Shakti Mama Fortbildung und was lernen die Teilnehmenden?

Shakti Mama ist für Yogalehrer*innen mit mindestens 100h Ausbildung. Die Fortbildung ist unabhängig von Geschlecht offen für alle, die Lust haben, mehr über den Körper im Prozess von Schwangerschaft, Geburt und Wochenbett und die Verbindung mit Yoga zu lernen. Die Fortbildung ist RYT zertifiziert.

Ich glaube auch, dass die Fortbildung gut ist, wenn man grade selber schwanger ist oder schwanger werden will. In der Fortbildung wird viel Yoga Praxis dabei sein und das tut total gut, weil es in dem Prozess unterstützt, in dem die Schwangeren gerade sind.

Hast du noch etwas, das dir abschließend wichtig ist, zu teilen?

Mir ist sehr wichtig zu sagen, dass das Thema Schwangerschaft und Geburt total sensibel ist. Das wissen wir und das weiß ich. Der Raum, den wir für die Fortbildung öffnen, ist ein Raum, in dem sensibel und auch fürsorglich mit dieser Empfindsamkeit umgegangen wird. Wir achten sehr darauf, was und in welcher Qualität geteilt wird, damit diese Sensitivität nicht verletzt wird.

Aus meiner Arbeit in der Begleitung von Schwangeren weiß ich, wie viel Potential und gleichzeitig Triggerpunkte dieses Thema mit sich bringt. Es bietet Raum zur Selbstarbeit, aber es geht vor allem um Wissensweitergabe und das Erlebbar - Machen dieses Wissens.

Willst du dich auf diesen Lernprozess begeben?

 

Willst du mehr Infos zu der Shakti Mama Fortbildung?

* Early Bird Preis noch bis 30. Juni 2024

Text: Alexandra Lange, 04. Juli 2024

 
 
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