MAGIC BREATH - DIE KRAFT DES ATEMS

Er ist der Anfang und er ist das Ende. Er schafft Leben und beendet es. Wir nutzen ihn zum Sprechen, zum Rennen, zum Schweigen, zum Sein. Nichts ist ohne Atem und ohne Atem ist nichts. Unser Atem ist das, was es uns ermöglicht, jeden Tag aufzustehen und der Welt zu begegnen. Er begleitet uns durch jeden Moment des Tages, ist mal stark, mal schwach, mal schnell, mal langsam, mal laut und mal leise – aber er ist immer da. Immer Spiegel. Unser ganzes Leben.

In den Schriften aller großen Weltreligionen wird der Atem als unsere Verbindung zum Göttlichen* erwähnt. In der Bibel „blies Gott [Adam] den Odem des Lebens in seine Nase“ (1. Mose 2,7). Erst durch den Atem wurde er lebendig. Im Judentum ist es „Ruach Eloim“, der Gotteswind. „Naf“ (sprachverwandt mit dem arabischen Wort „Nafas“ - Atem) bezeichnet im Koran Seele und Geist. „Prana“ steht im Hinduismus zugleich für den Atem und die Lebensenergie und im Buddhismus fließt das „Qi“ – der Atem – als pure göttliche* Lebensenergie durch uns (vgl. Peter Kolakowski (2018): Atem mit Amen, Deutschlandfunk). Aus theologischer Perspektive ist unser Atem wortwörtlich göttlich*.

Auf biologischer Ebene ist er die einzige Körperfunktion, die wir ohne große Anstrengung aktiv und willentlich steuern können. Egal wie viel Willenskraft wir aufbringen, unser Herz wird nur sehr schwer langsamer schlagen und unser Verdauungstrakt sich nicht so leicht von selbst entleeren. Über den Atem jedoch können wir auf verschiedenste Funktionen unseres Körpers Einfluss nehmen. Wenn unser Geist die Person ist, die den Computer unseres Körpers bedient, ist der Atem die Steuerung.

Eben diese Steuerung wird im Yoga über Pranayama erreicht. Pranayama ist die Kontrolle über die Aufnahme von Prana, aka Lebensenergie. Ein Atemzug besteht immer aus Einatmung, Ausatmung und Atempause. Über verschiedene Übungen werden diese Bestandteile des Atems gelenkt, um Energie im Körper aufzunehmen und zu speichern, sodass alle Systeme des Körpers effizienter arbeiten können. Über die Aufnahme von Prana werden die Nadis, die astralen Energiekanäle des Körpers, gereinigt und mit Energie versorgt. Der Yogischen Lehre zu Folge haben wir insgesamt wir 72.000 solcher Nadis. Die Hauptkanäle sind Ida und Pingala, die sich ausgehend vom Wurzelchakra am Damm um die Wirbelsäule winden und im Ajna Chakra zwischen den Augenbrauen in der Mitte des Kopfes enden, sowie Sushumna, welche sich genau in der Mitte von Ida und Pingala gradlinig bis zum Sahasrara Chakra an der Kopfkrone entlangzieht.

Auf biologischer Ebene werden über das Praktizieren von Pranayama abgestandenes CO2 sowie andere gasförmige Toxine im Körper durch frischen Sauerstoff ausgetauscht. Zellen und Organe des Körpers werden genährt, was wiederum zu einer vermehrten Zellentwicklung und Stärkung der Immunabwehr führt. Auch die Lungenkapazität erhöht sich durch regelmäßiges Praktizieren. Über die Steuerung des Atems werden die respiratorischen Muskeln gestärkt, welche wiederum das Zwerchfell aktivieren und für eine tiefere Atmung sorgen. Zudem steigern sie durch den singulären Fokus auf den Atem die Konzentration und werden daher gerne vor dem Praktizieren von Asanas, den physischen Yogafiguren, geübt.

Bestimmte Übungen regen durch die erhöhte Sauerstoffzufuhr zum Magen sowie beteiligte Muskeln die Verdauung an, andere können den Blutdruck senken. Manche Übungen machen Körper und Geist leistungsfähiger, andere lassen dich tief entspannen und unterstützen einen gesunden Schlaf. Jede Pranayama Übung hat einen bestimmten Fokus und eine individuelle Wirkung.

Eine Pranayama Übung, die du ganz einfach zu Hause ausprobieren kannst, ist die Wechselatmung Nadi Shodana. Setz oder leg dich dafür mit geradem Rücken hin, bring deine rechte Hand ins Vishnu Mudra (Zeige- und Mittelfinger sind zum Handballen eingeklappt) und setze deinen rechten Daumen an dein rechtes und deinen rechten Ringfinger an dein linkes Nasenloch. Verschließe dann mit deinem Daumen dein rechtes Nasenloch und atme links ein. Verschließe dann beide Nasenlöcher, halte den Atem und verschließe dann dein linkes Nasenloch und atme rechts aus. Für eine vollständige Runde wird die Prozedur dann nochmal rückläufig wiederholt, d.h. du atmest rechts ein, hältst den Atem in der Mitte an und atmest links aus. Die Anzahl der Runden, die du durchführst, kannst du hier beliebig bestimmen und dabei Dauer des Einatmens, Anhaltens und Ausatmens deiner Atemkapazität anpassen. Länger ist dabei nicht unbedingt besser – du solltest nur so viel Luft aufnehmen oder halten, dass du noch entspannt sitzen kannst. Die Übung soll dich schließlich entspannen und nicht zum Platzen bringen ;) Klassische Atemmuster sind z.B. 4 – 4 – 4 oder 4 – 8 – 8 [Sekunden] . Das längerer Halten und Ausatmen dient dabei der Reinigung von CO2 und Toxinen im Körper. Alternativ kannst du deinen Atem zusätzlich nach der Ausatmung anhalten.

Der Fokus der Wechselatmung Nadi Shodana liegt auf Entspannung und Ausgleich. Über die abwechselnde Atmung durch beide Nasenlöcher werden die oben beschriebenen Energiekanäle Ida und Pingala gereinigt und ausgeglichen, sodass die Lebensenergie – Prana – wieder frei fließen kann. Ida ist dabei verbunden mit dem linken Nasenlock und der rechten Gehirnhälfte und Pingala mit dem rechten Nasenlock der linken Gehirnhälfte. Auf biologischer Ebene findet ein Ausgleich zwischen rechter und linker Gehirnhälfte, auf spiritueller Ebene zwischen männlicher und weiblicher Energie statt. Die Wechselatmung kann uns helfen, uns zu sammeln, wenn wir aufgebracht sind oder nach einem langen Tag wieder bei uns anzukommen. Auch bei Angst- und Panikattacken wirkt sie beruhigend und kann helfen, wieder schneller zu sich selbst zu finden.

Der Atem ist so viel mehr als eine reine Körperfunktion. Er kann Energie spenden, Leben schenken, Ruhe bringen und verbindet dich mit der Energie in dir – er ist die Energie in dir. Wenn du es mit dem Lesen bis hierher geschafft hast – probiere Pranayama einfach aus. Bleib danach kurz sitzen und spür, welche Wirkung verschiedene Übungen auf dich haben. Manchmal ist es schwer, sich im Alltagsstress aktiv die Zeit zu nehmen oder sich an einem müden Tag zu überwinden, sich hinzusetzen und zu praktizieren – ich spreche aus Erfahrung. Aber es lohnt sich immer. You will see!

 

 

*der Begriff “göttlich” wird hier als Synonym verwendet für das Höchste in uns. Ersetze Göttlich durch alles, was du magst – das Universum, die Lebenskraft etc.

  

 

Text: Alexandra Lange

Wenn du mehr über Pranayama und die verschiedenen Atemtechniken lernen möchtest, komm zu unserer offenen Pranayama Klasse. Melde dich ganz einfach unseren Stundenplan an.

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