DIE INNERE REISE EINER YOGA AUSBILDUNG - VON DER SUCHE NACH VERSTECKTEN SCHÄTZEN UND DEM MOND
Ich möchte diesen Artikel mit einer Geschichte einleiten. Vielleicht hast du sie schon einmal gehört, vielleicht ist sie dir neu. Sie führt uns zurück in den Beginn einer Zeit, in der die Menschen immer weiter in verschiedenste Gebiete der Welt vordrangen – sie erklommen die höchsten Gipfel, überquerten die weitesten Ozeane, flogen in neue Sphären bis auf den Mond. Plötzlich war der Schatz dieser Welt, der Schatz dieses Lebens, nicht mehr sicher. Kaum ein Fleckchen Welt blieb unerforscht und die Menschen wollten immer mehr. Was waren sie wohl in der Lage, in ferner Zukunft zu erreichen? Der Schatz des Lebens brauchte einen sicheren Platz, an dem er vor der Gier der Menschen sicher war. Nach langem Überlegen hatte Gott* eine Idee. Er würde den Schatz an dem Ort verstecken, an dem die Menschen niemals suchten – in ihnen selbst.
Diese Geschichte spiegelt den Weg, den wir als Menschen gehen, sehr schön wieder. Sie ist das Tor zu einer Reise, auf die du dich auch bei einer Yoga Ausbildung begibst. Während einer Yoga Ausbildung lernst du vieles – du bildest ein fundiertes Grundlagenwissen zu Geschichte und Philosophie, lernst die Anatomie des menschlichen Körpers kennen praktizierst Asanas und vieles mehr. Was bei der Thematisierung der Lerninhalte leider häufig unter den Tisch fällt, ist die persönliche Reise, auf die du dich während der Ausbildung begibst. Die Entwicklung, die du auf dieser Reise durchläufst. In diesem Blogartikel werden wir uns mit der Bedeutung der persönlichen Selbsterforschung während einer Yoga Ausbildung auseinandersetzen und wie sie uns dabei hilft, ein besseres Verständnis für uns selbst zu entwickeln.
Im alten Indien bezeichnete der Begriff „Yogi“ (männlich) oder „Yogini“ (weiblich), heute umgangssprachlich verwendet für Menschen, die zum sportlichen Ausgleich Yoga Asanas praktizieren, Menschen, die sich auf die Suche nach der Wahrheit begeben. Was ist diese Wahrheit?
Nach der yogischen Philosophie wird unser Blick auf die Welt, in der wir leben, durch verschiedene Schleier verzerrt. Sie versperren uns mal mehr, mal weniger, den Blick auf die in uns liegende Wahrheit. Die äußere Welt ist dabei gewissermaßen ein Spiegel, der uns manchmal unsere Wahrheit und manchmal unsere Schleier zeigt, je nachdem, was gerade dominanter in uns herrscht. Über die Lenkung unseres Blickes nach innen verändern wir automatisch auch unsere Wahrnehmung – oder treffender, unsere Reflektion – der äußeren Welt. Der yogische Weg ist es, unsere Schleier über verschiedene Techniken sowie die intellektuelle Weiterbildung zu erkennen und nach und nach zu lüften, um unseren Blick von Missverstehen und Verzerrungen zu befreien und ihn immer weiter nach innen zu lenken. Das, was in unserem Kern versteckt hinter den Schleiern liegt, ist die Wahrheit. Die buddhistische Tradition beschreibt es als Erleuchtung, Religionen als Paradies, modernere Theorien als Erkennen des wahren Selbst.
In einer Yoga Ausbildung wirst auch du zur wahrheitssuchenden Person. Getragen und begleitet von einer Gemeinschaft Gleichgesinnter wird hier der Raum für dich gehalten, über die Auseinandersetzung mit theoretischen Aspekten der Yoga Lehre sowie eine intensive physische Praxis von Asanas, Pranayama und Meditation, in die Tiefen deines Selbst einzutauchen. Nach und nach kannst du immer mehr Schleier in deinem eigenen Leben erkennen und durch sie in tiefere Schichten deines Seins eintauchen.
Eine zentrale Frage dabei ist, wie die yogischen Weisheiten in das heutige Leben integriert werden können. Wie kannst du die Balance finden zwischen der lebenslangen Suche nach der Wahrheit und gleichzeitig dem Genuss des irdischen Lebens, mit allen Hoch und Tiefs, allen Herausforderungen und Glücksmomenten, den einfachen und komplizierten Seiten dieses Lebens? Wie kannst du dir deiner Selbst bewusst werden, dich annehmen und halten und gleichzeitig immer weiter wachsen, an diesem Leben, mit diesem Leben? Wie kannst du Widerstände aushalten, in der physischen Praxis sowie im Alltag und aktiv durch sie gehen?
Wirst du am Ende einer Yoga Ausbildung alle Antworten haben und einen stetig ungetrübten Blick auf deinen inneren Schatz? Wahrscheinlich nicht. Höchstwahrscheinlich gehst du mit mehr Fragen aus der Ausbildung, als du hereingegangen bist. Aber du näherst dich deinem Schatz ein bisschen weiter an. Du gerätst in Berührung mit Schichten, die du davor nicht sehen konntest. Nimmst neue Facetten deines Seins wahr. Facetten, die schon immer da waren. Du bekommst einen kleinen Geschmack von dem, was möglich ist, weitest deine Grenzen und erlangst einen neuen Blickwinkel auf das Leben. Nicht etwa, weil sich das verändert hast, auf das du blickst, sondern das, was gespiegelt wird.
*der Begriff “Gott” wird hier analog zu der ursprüglichen Erzählung verwendet. Ersetze “Gott" hier durch den Begriff, der sich für dich stimmig anfühlt.
Text: Alexandra Lange
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